Immer noch bestehende Probleme für Justiz-Opfer

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Dr F. Weinberger GEP
Mai 2015 zur Großkundgebung der Justiz Opfer e V in München am 7 Mai 2015

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Großkundgebung der Justiz-Opfer e.V. in München am 7.5.2015

By F. Weinberger on 31. Mai 2015

Meine Damen und Herren,

Zunächst danke ich den Verantwortlichen von Justiz-Opfer e.V.,
daß ich auf Ihrer Veranstaltung hier mit zu Wort kommen darf.

Ich spreche für die Walter-von-BaeyerGesellschaft für Ethik in der Psychiatrie e.V., GEP, die sich seit
40 Jahren speziell für Justiz-Op­fer einsetzt, die gleichzeitig Opfer eines Psychiatrie-Miß­brauchs geworden sind, Opfer also fal­scher, fahrlässiger oder un­lauterer Begut­ach­tung durch Psychiater oder Psychologen.

Angesichts der offensichtlichen Mißstände im „psycho-justi­ziellen Bereich“ ist es nur be­grüßenswert, daß sich verschiedene Vereine mit unterschiedlichen Akzentuierungen der Opfer annehmen, ist es freilich ebenso begrüßenswert wie notwendig, daß sie mit diesen ihren unterschiedlichen, sich einander aber ergänzenden Ansätzen zusammenarbeiten.

Gefährliche Entwicklungen in den „Psycho-Fächern“ – Abschottung gegen Kritik

Nicht nur die Fälle von Gustl Mollath und Andrea Kuwalewsky und ihrer vier Kinder, denen ich selbst als Gutachter ein wenig beispringen konnte, zeigen, wie sehr die „seelen­heil­kund­li­chen“ Fächer, Psychiatrie und Psychologie, in Fehlurteile hineinspielen, die Einzelne oder gar Familien verhängnisvoll treffen.

Vor wenigen Tagen führte ich bei der Jah­res­versamm­lung der GEP hier in München Genaueres zu den Ursachen aus, die „psycho-fach-intern“ die Fehlleistungen des „psycho-justiziellen Komplexes“ produzieren.

Ich wies darauf hin, daß diese Fehlgutachten oder -Atteste in der Regel gerade von Spitzenvertretern der Psycho-Fächer verbrochen worden sind, ihre Schlecht­­­achten also keineswegs auf mangelnde Qualifizierung zurück­gehen, die Forderung nach höherer Qualifi­zierung der Gutachter, wie die Medien (und manche Fachvertreter) sie gern erheben, keineswegs der springende Punkt ist, um Abhilfe zu schaffen.

Richtig zu begutachten lernt im Grund JEDER Psy­chiater in seiner Facharztweiterbildung.

Nicht von ungefähr konnte ich in den Fällen Mollath, Kuwalewsky und anderen mit meinen Gegengutachten gegen die vorhergegangenen Schlechtachter, im Fall des Münchner Teppich-Experten Herrmann gar gegen den Direktor der hiesigen psychiatrischen Univer­si­täts­klinik Prof. Möller punkten, sie ausstechen.

Dazu gehören keine Sonderbefähigungen.

Solche zu fordern, hilft lediglich Schaumschlägern, sich in einer „neuen Professur“[1] einzunisten und sich damit gegen die Kritik anderer „gewöhnlicher“ Kollegen zu feien.

Hätte es, als ich Mollath 2011 begutachtete, bereits einen Facharzt für forensischen Psychiatrie gegeben, wie ihn mit manchen Forensikern merkwürdigerweise auch die Fachvertretung, die Medien und andere fordern, dann wäre ich als „Fachfremder“ gänzlich außen vor geblieben, dann säße Mollath heute noch in der Klapsmühle.

Was deutschen Psychiatern und Psycho­logen wie leider manchen unserer lieben Mit­bürger fehlt, ist nicht Qualifizierung, sind vielmehr innere Un­abhängigkeit und Mut.

Die freilich lernt man an keinen Universitäten und in keiner ärztlichen Weiterbildung.

Leider läuft die Entwicklung hier, läuft auch die Forderung allein nach höherer, „schwin­delnd hoher“ Qualifizierung in exakt gegenteilige, d.h. immer gefährlichere Richtung, auf immer größere Abhängigkeit der Psychiater, damit der Gutachter von ihren (u.U. po­litischen) Meistern.

Ich erinnere nur an das sog. Fort­bildungs­seminar in forensischer Psychiatrie, das zwei hochragende Forensiker, die sich an Mollath schon vergangen hatten, Prof. Krö­ber von der Ber­liner Charité und Dr. Leipziger, sein langjähriger Zwingherr, unter dem Titel „Unser Gustl“ an­kündigten, kurz nachdem der Skandal um diesen gerade aufgeflogen war, um eben den Gutachternachwuchs in ihrem Sinn weiter zu verbiegen.

Rasch aufge­kommener öffentlicher Protest verhinderte zwar nicht das Seminar, aber doch seinen geschmacklosen Ti­tel.

Aber die Rich­tung solcher Fortbildung, mehr einer Verbildung der Psychiater auf besagte Art von (eher schwindelnder als hoher) „Qua­­lität“ wird, seien wir uns darüber im Klaren, „von oben“, von der Ärzte­vertretung, letztlich der Politik und leider kritiklos auch von den Me­dien mit Vehemenz weiter verfolgt.

Psychiatrische Überziehungen werden nicht hinterfragt

Um festzustellen, daß Gustl Mollath nicht geistskrank ist, daß er wohl mit seinen Ecken und Kanten, Stärken und Schwächen, wie wir alle sie haben, ein „normaler Mensch“ ist, dazu braucht es keine noch so hochgeschraubte forensisch-psychiatrische Spezialausbildung.

Dazu rei­ch­en das normale psychiatrische Urteil, reichen im Grunde fast die allgemein-menschliche Er­fahrung, der gesunde Menschen­­ver­stand.

Gewiß, Psychiatrie und Psychologie sind Fächer, die eine gründ­­liche Ausbildung er­fordern.

Herzensbildung, die es auch bräuchte, läßt sich ohnedies kaum vermitteln.

Behalten wir aber im Auge: Wirklichen wissenschaftlichen Fortschritt hat es in den Psycho-Fächern im letzten halben Jahrhundert gar nicht gegeben.

Der große Fortschritt, den Politik und Medien mit viel Lärm über die Jahre verkünden und von dem sie die Notwendigkeit immer höherer, „schwindelnd hoher“, fast unerreichbarer „Qua­lifizierung“ ableiten, war und ist nichts als heiße Luft.

Mit ihr zwangen und zwingen sie die All­ge­mein­heit, aber auch das Fußvolk der Psy­ch­iater und Psychologen vor diesen „Spit­zen­ver­tretern“ in die Knie, halten sie sie zu stiller Akzeptanz ihrer Maßgaben und Richt­linien an, zum Schweigen, wenn neue Skandalfälle auftauchen.

Diese Ordinarien, Chefärzte, Insti­tuts­leiter sind ihrerseits ja den Direk­tiven der Politiker am unmittelbarsten ausgesetzt.

Anders als durch Unterwürfigkeit wären sie ja kaum zu ihren hohen Posten gekommen. Nie vergessen: Spitzenvertreter des Faches waren es, die zur Hitler-Zeit 200 – 300.000 der Kranken „abkreuzelten“.

Nicht hinterfragt wird das Interesse an krummen Psycho-Fächern

Psychiatrie ist für psychisch Kranke, die es nun einmal gibt, als Heilmittel unver­zicht­bar.

Für die Mächtigen, für viele von ihnen zumindest, Mächtige auch unterhalb der politischen Ebene, ist Psychiatrie heute offensichtlich aber auch ein Haupt­­mittel, Anders­denkenden, Aufmüpfigen, Unliebsamen den Mund zu verschließen.

Des­halb fördern die Mäch­ti­gen in Politik wie an­de­ren Gesellschaftsbereichen mit der „Reform“ der „Seelenfächer“ seit den 1970ern Abhängig­keit und Anpassung in ihnen.

Dr. Norber Blüm, Ex- BMfS&A, Gustl Mollath, Thomas Repp,

Wie sie in der Ju­stiz direkt von ihnen abhängige Staats­anwälte und Richter-Vor­sit­zen­de sitzen haben, so in der Psychiatrie ihre „crème de la crème“, wie die Staatsministerin, vormalige bayerische Justiz­mi­nisterin Merk die hier eingesetzten Ordinarien, Chefärzte, Institutsleiter etc. nannte.

Ich bin sehr froh, daß zwei Bundesminister auf dieser Ihrer Veranstaltung kritisch das Wort ergriffen, Frau Leutheuser-Schnarrenberger und ins­be­son­­dere Herr Dr. Blüm, der in seinem Buch EINSPRUCH schon hinwies, wie auf den unteren Ebenen der Staatsexekutive gegen Sinn und Vorgaben des Gesetzes verstoßen wird und darüber Menschen verletzt werden.

Wir können nur hoffen, daß die Medien die Botschaft an die angesprochenen Stellen insbesondere der Justiz UND der Psychiatrie und Psychologie weitertragen.

Freilich, auch einige Gesetze, politische Vorgaben wie etwa die Enquête von 1975 als Basis der Psychiatrie-Reform sind zu hin­terfragen.

Auch mit ihnen haben sich in der Justiz und der Psychiatrie von Anfang an schon manch „krumme Interessen“ mit eingenistet und die vielleicht einst edle Zielsetzung verdorben.

Die Enquête hat die Möglichkeit zu Fehlbegutachtungen verstärkt, die fachlich jetzt Fälle wie die genannten produzierten.

Dr F. Weinberger, GEP

Besonders bekümmert aber bin ich, daß die Medien jahrelang die Wirklichkeit der Justiz, insbesondere aber der Psychiatrie – hier kenne ich mich aus – völlig unzureichend dargestellt haben.

[2] Hier kamen über die Jahre nur die sog. Spit­­zen­ver­treter zu Wort, wurde in oft grotesker Weise und „undemokratisch“ Obrigkeit hofiert und so ein gänzlich einseitiges, oft gar realitätsfremdes Bild von den Verhältnissen in dem Fach und es herum vermittelt, konnten auch dadurch wie in den jüngst bekannt ge­wordenen Miß­brauchsfällen „Schlecht-Ach­ten“ einreißen.

In besagtem Be­richt zur GEP-Jahresversammlung habe ich Näheres dazu ausgeführt, nachzulesen unter www.psychiatire-und-ethik.de.

Ich habe Ihnen jetzt nur einige wenige Punkte vor­gestellt, die m.E. wesentlich beigetragen haben, daß es zu so üblen Fehlbegutachtungen wie in den eben genannten Fällen gekom­men ist.

Sie betreffen aber gewiß weit mehr unglück­lich in „die Mühle geratene“ Menschen.

Viele Mächtige auf unterschiedlichen Ebenen des Staatswesens wollen „die Psychiatrie-Kiste zu“ lassen, weil sie im Dunklen besser munkeln, besser ihren Nutzen ziehen können.

Leider haben die Medien ihnen weithin entsprochen.

Die Verhältnisse in den „Psycho-Fächern“ bedürfen aber dringend öffentlicher Aufmerksamkeit.

Nachdem nun aber über etlichen dieser Fälle endlich öffentliches Interesse aufgekommen ist für das, was im „psycho-justizi­ellen Bereich“ – und das ist eben auch psychiatrischer Bereich – abgeht, lassen Sie es uns weiter wach hal­ten.

Wir stehen erst am Anfang einer Korrektur einer tief eingerissenen Fehlent­wick­lung.

Überlassen wir ihre Behebung nicht der „politischen Klasse“, den Medien und den Fachverbänden, die sie erst soweit haben kommen lassen.

Bleiben wir selbst kritisch am Ball!

Dr. med. Friedrich Weinberger, GEP

(Bilder von der Kundgebung, den Versammelten vor dem Rathaus, dann v.li. N. Blüm, T. Repp (einem der Veranstalter) und G. Mollath sowie schließlich F. Weinberger – Photo Gudrun Rödel)

[1] Solch „neue Professuren“ für die „Forensische Psychiatrie“ wie „für Psychosomatik“ eingerichtet, auf politischer Linie vorgegebene administrative, dabei höchst fragwürdige Ak­te geleistet zu haben, das rechnete kürzlich das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT 18/15 dem Prof. H. Hippius, dem Amtsvorgänger Möllers, als Lebens­leistung an. Die zerstörerische Auswirkung dieser Akte auf reale Menschen kümmerte diese Leute nie.

[2] Bezeichnend, daß auch von der Kundgebung auf dem zentralen Münchner Marienplatz keine der Münchner Zeitungen berichtete.

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